Interreligiöse Begegnung im Kreis Offenbach
Den Glauben gemeinsam gestalten
„Glaube und Religiosität geben vielen Menschen eine innere Orientierung, stiften Sinn und Gemeinschaft“, erläutert Sandra Scholz. Die Pfarrerin für Ökumene und Gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Dreieich-Rodgau ist Initiatorin und Projektverantwortliche. „Besonders jüngere Menschen erleben in Gruppen ihrer Gemeinden häufig, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten einbringen, selbst Projekte umsetzen und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten können“, führt sie aus. „Dies fördert die Ausbildung eines eigenen demokratischen Bewusstseins“.
Hier setzt Dagmar Gendera an. Die Sozialpädagogin verfügt über langjährige Erfahrung in der Projektarbeit für kirchliche und zivilgesellschaftliche Bildungs- und Entwicklungsorganisationen im In- und Ausland. An ihrer neuen Wirkungsstätte will sie religiöse und kulturelle Vielfalt sichtbar und erlebbar machen, um Vorurteile abzubauen. Dazu entwickelt sie gemeinsam mit Heranwachsenden Aktionen, die den Dialog zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen fördern. Hierbei kann sie auf einen Kreis 17- bis 25-Jähriger zählen, die sich im Rahmen eines Kooperationsprojekts von evangelischen Dekanaten und Pro Prävention des Kreises Offenbach als Gruppe zusammenfanden. Gemeinsam mit ihnen plant sie Begegnungen, um andere Religionen kennenzulernen, Freizeit zusammen zu verbringen und im spirituellen Erleben Gemeinsamkeiten im jeweiligen Glauben zu entdecken.
„Dass ein evangelisches Dekanat auf diese Weise versucht, Dialog auf Augenhöhe zwischen den Religionen zu ermöglichen, finde ich bemerkenswert, und darin liegt sehr viel Potential“, ist die 56-Jährige überzeugt. „Denn die Jugendlichen sind bereit, ihre eigenen Erfahrungen an andere weiterzugeben und so zu mehr Verständnis füreinander beizutragen“, weiß sie aus Erfahrung. Ein Beispiel ist die bereits 2019 entstandene Karikaturenausstellung „Ich. Du. Wir. Comics über erlebte Vielfalt“, die interessierte Organisationen ausleihen können.
Daneben entwickelt Gendera ein Weiterbildungskonzept für die evangelischen Kindertagesstätten im Dekanat, um die interreligiösen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu stärken und zur Selbstreflexion anzuregen. „Wir sprechen von rund 270 Fachkräften, die knapp 1.500 Kinder betreuen, die die konfessionelle und kulturelle Bandbreite unserer Gesellschaft wiederspiegeln“, so Gendera. Hier gelte es, pädagogische Antworten auf gelebte religiöse Vielfalt zu finden.
An erster Stelle steht eine Bestandsaufnahme und Bedarfserhebung, die mit den Geschäftsstellen Kindertagesstätten im Dekanat erarbeitet wird. Gleichzeitig ist Gendera dabei, die Vernetzung in den Sozialraum hinein voranzutreiben und die Kontakte zu anderen Religionsgemeinschaften, politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren auf kommunaler Ebene auszubauen, „um die Basis zu einem gleichberechtigten Austausch zu schaffen, Anregungen zu bekommen und Prozesse in Gang zu bringen, die uns voneinander lernen lassen.“ Passend zum Jahresbeginn ist ein erstes Produkt entstanden. Auf dem interreligiösen Wandkalender, den sie zurzeit verteilt, sind die Feiertage aller Glaubensrichtungen verzeichnet. „Dies ist ein erster Zugang, um den Ritualen anderer Religionsgemeinschaften mit Respekt zu begegnen“, erklärt sie.
Wünschen würde sich Gendera zum einen, „dass es am Projektende im Kreis Offenbach mehrere Jugendgruppen gibt, die sich vorurteilsfrei begegnen, sich austauschen und so Glaubenserfahrungen in ihrer Vielfalt der Religionen machen können“. Zum anderen sieht sie das Projektziel als erreicht an, „wenn Ende 2024 alle Erzieher*innen wissen, an wen sie sich wenden können, um andere Glaubensinhalte in ihre Arbeit einzubeziehen, damit im Kita-Alltag Religionsvielfalt gelebt werden kann“. Ist ihr doch bewusst: „Kinder, die Antworten auf ihre Fragen bekommen, fühlen sich aufgehoben.“
Finanziert wird die Stelle aus dem Landesprogramm „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“, des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport. Von dort zugesagt sind 100.000 Euro jährlich, bei einer zehnprozentigen Eigenbeteiligung des Dekanats Dreieich-Rodgau. Die Förderung auf Landesebene läuft bis Ende 2024, wobei die Mittel lediglich pro Kalenderjahr fest zugesagt sind und jährlich neu beantragt werden müssen.