„Niemanden in Sprachlosigkeit zurücklassen“
"Sprachlos": Evangelische Jugend feiert ersten Online-Gottesdienst
Für viele jugendliche Ehrenamtliche gehen nun schon seit Mitte März die Uhren ziemlich anders: Mit dem so genannten „Lockdown“ zu Beginn der Corona-Pandemie war auch für die Aktiven in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit eine neue, ungewohnte Zeit zunächst nahezu ohne analoge persönliche Begegnungen angebrochen. Keine Treffen der Gemeindejugend, auch Kinderbibeltage, Jugendfreizeiten und Sommerzeltlager sind dem Virus zum Opfer gefallen.
„Und auch uns als Dekanatsjugendvertretung hat die Corona-Krise mit all ihren Beschränkungen und Absagen hart getroffen“, erinnert sich Stella Berker, die sich zusammen mit Tobias Eubel auch als Vorsitzenden-Duo der evangelischen Jugendvertretung im Dekanat engagiert. „Auf allen Ebenen der Kinder- und Jugendarbeit waren neue Ideen plötzlich nicht nur gefragt, sondern dringend erforderlich“, ergänzt der Vorstandskollege.
Gleich zu Beginn im März haben sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Dekanatsjugendreferent Boris Graupner und Kinder- und Jugendpfarrerin Leonie Krauß-Buck zu regelmäßigen Online-Treffen auf der Videokonferenzplattform Zoom verabredet – kleine Lichtblicke zwischen den Appellen „Bleib zuhause“ und „Halte Abstand“.
Corona hat Online-Präsenzen begünstigt
„Zu hören, was die anderen beschäftigt und welche neuen Entwicklungen es im Dekanat gibt, ist immer spannend und inspirierend. Auch für eigene Projekte“ wie etwa Stellas eigenen neuen Instagram-Kanal „@sovielduglaubst“, ebenfalls ein von Corona begünstigtes Projekt, auf dem sie ihren inzwischen über 650 Abonnent*innen von ihrem ehrenamtlichen Engagement und ihren Erfahrungen als angehende Gemeindepädagogin berichtet, über Gott in der Welt nachdenkt und Tipps für kreative Social-Media-Arbeit gibt.
„Schnell entschlossen wir uns: Wir wollen auch etwas auf die Beine stellen und der Welt und den Leuten draußen zeigen, dass wir noch da sind“, schildert Julian Kompa, ebenfalls aus Rödermark, die gemeinsame Motivation, etwas Corona-Konformes auf die Beine zu stellen. Es erwuchs der Plan, einen Jugendgottesdienst ins Internet zu bringen – auf dem umgehend eingerichteten Youtube-Kanal „ev.jugend.rodgau“.
Zeitliche Flexibilität machte gemeinsamen Gottesdienst möglich
„In der Zeit vor der Pandemie hatten wir es nie geschafft, einen gemeinsamen Gottesdienst zu planen und zu feiern“, erzählt Tobias, der sich auch in der Evangelischen Jugend Seligenstadt und Mainhausen engagiert. „Aber durch den konzentrierteren, aktiven Austausch und die Möglichkeit, die einzelnen Teile getrennt voneinander aufzuzeichnen, ergab sich die erforderliche zeitliche Flexibilität dafür.“
Am Ende der Themenfindung stand ein Wort im Raum: Sprachlos! „Sprachlos fühlt man sich oft dann, wenn einen besonders viel bewegt.“ So sei es vielen gerade zu Beginn der Corona-Krise gegangen, als es ständig neue Informationen gab. „Sprachlosigkeit entsteht aber auch, wenn das offene Ohr auf der anderen Seite fehlt.“
„Junge Menschen“, so erleben es Stella, Tobias, Julian und ihre Mitstreiter aus der evangelischen Jugend, „werden aktuell selten nach ihrer Meinung und ihren Gefühlen gefragt. Dabei hat sich auch ihr Alltag mit Schule, Studium, Jobs und dem sozialen Umfeld völlig auf den Kopf gestellt.“
Deswegen will die Evangelische Jugend im Dekanat Rodgau zeigen: „Jemand hört euch zu! Und wir wollen wissen, wie es euch, den Jugendlichen geht und was euch bewegt.“
Einander zuhören und sich ernstnehmen
Die Geschichte rund um die aktuelle christliche Jahreslosung „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ im neunten Kapitel des Markusevangeliums erzählt auch von einem jungen Menschen, der, so heißt es biblisch „einen sprachlosen Geist“ hat. „Einander zuzuhören und sich ernst zu nehmen – das haben wir in unserem Gremium als sehr hilfreich empfunden, und dazu wollen wir andere ermutigen“.
Der Gottesdienst, an dem das rund zehnköpfige Team einige Wochen gearbeitet hat, ist nun online. Eine Mitmach-Aktion haben Jugendliche aus Mühlheim zusammen mit der dortigen Gemeindepädagogin Petra Berger beigesteuert.
Mit dem ersten Onlineangebot wollen die Jugendlichen die Vorteile des Digitalen nutzen. „Der Gottesdienst wird länger zu sehen sein, sodass auf unterschiedliche Bedürfnisse der Jugendlichen eingegangen werden kann. Sonst erleben wir es häufig als schwer, Zeiten zu finden, die für alle passen. Außerdem kann durch Kommentare direkt ein Gespräch entstehen.“
Neben dem neuen Youtube-Kanal ist die Evangelische Jugend im Dekanat Rodgau übrigens auch auf Instagram aktiv. „Auf unserem Account @ev.jugend.rodgau planen wir weitere Aktionen und Projekte, tauschen uns mit anderen Jugendlichen und Erwachsenen aus der kirchlichen Socialmedia-Welt und darüber hinaus aus und geben Einblicke in unsere Ideen.“ Und natürlich sind die jungen Leute vor allem eins: „Ansprechbar! Denn wir wollen niemanden in Sprachlosigkeit zurücklassen.“