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Hanau–Steinheim

Talentscout und Netzwerkerin ganz ohne Starallüren

An der Schwelle zum Ruhestand angekommen ist die ehemalige Landesschüler- und langjährige Steinheimer Gemeindepfarrerin Heike Zick-Kuchinke.

Eine Grenzgängerin ist sie stets gewesen, und an der Grenze zum Ruhestand als nächstes Abenteuer ist Heike Zick-Kuchinke angekommen: Am Sonntag, 9. Juli, verabschieden die Kirchengemeinde Steinheim/Main, Propst Stephan Arras und Dekan Steffen Held die langjährige Gemeindepfarrerin ab 14 Uhr mit festlichem Gottesdienst und Empfang.

„Was Heike Zick-Kuchinke zusammen mit dem Hauptamtlichen-Team, dem Kirchenvorstand, vielen weiteren ehrenamtlich Mitarbeitenden, Spender*innen sowie inner- und außerkirchlichen Kooperationspartnern mit dem Steinheimer Familien- und Generationenzentrums aufgebaut hat, ist ein visionäres Lebenswerk, das zeigt, wie Kirche der Zukunft aussehen kann“, würdigt der Dekan des Evangelischen Dekanats Dreieich-Rodgau, Steffen Held, ihr 20-jähriges Schaffen im Hanauer Stadtteil. „Vor allem für ihr Engagement, immer wieder dran zu bleiben, Menschen zum Dabeisein zu ermutigen, Kirche zusammen mit anderen neu zu denken und auch zu träumen, danke ich Heike Zick-Kuchinke“, so Dekan Held weiter.

Und auch die Pfarrerin selbst scheidet zufrieden aus dem Dienst: „Ich habe den Schritt nie bereut“, sagt sie heute aus Überzeugung zu ihrer Bewerbung in Steinheim vor über 20 Jahren, „denn ich habe hier viele Menschen getroffen, die Lust hatten, gemeinsam etwas zu bewegen und an einem besseren Leben für alle zu arbeiten“.

Bewerbungsimpuls an der Käsetheke

Beim Zusammenkommen von Gemeinde und Pfarrerin führte auch der Zufall Regie: „An der Käsetheke im ‚toom‘“ hatte der Klein-Auheimer Pfarrkollege Detlef Hellmann die damals schon in Steinheim lebende Geistliche auf die vakante Pfarrstelle im Ort angesprochen. „Ich hatte ja kaum Gemeindeerfahrung, und meine Vita war dem damaligen Kirchenvorstand erst mal fremd“, so Heike Zick-Kuchinke. Nach ihrem Vikariat in Frankfurt hatte sie sich zunächst – oft mehr sozialarbeiterisch als theologisch – im Berufsschulpfarramt an der dortigen der Elly-Heuss-Knapp-Schule und später als Landesschülerpfarrerin und theologische Jugendbildungsreferentin engagiert. 

„Trotzdem“, ist sie überzeugt, „kam die Anregung zur rechten Zeit“, denn die Wünsche des Kirchenvorstands für die pfarramtliche Zukunft passten zu Überzeugung und Biografie der damals 45-Jährigen: lebensnahe Predigten, die gesellschaftlich Stellung beziehen; die Gemeinde wieder an die Jugend heranführen und mit neuen Ideen aus dem Dornröschen-Schlaf holen – und zusammen ein Konzept entwickeln, „wie das mehr als in die Jahre gekommene Gebäudeensemble fit für die Zukunft werden kann“.

„Viele Aktive waren auch müde, aber andere hofften, dass jetzt endlich was passiert.“ Zudem, erinnert sich die Pfarrerin, hätten sich die Evangelischen in Steinheim immer noch als Minderheit im Ort empfunden: „Wir wollen hier nicht unangenehm auffallen“, habe sie damals noch von manchen zu hören bekommen, als es daranging, neue Ideen für die Zukunft der Gemeinde zu entwickeln. „Das war so das Gefühl, auch nach Jahrzehnten immer noch nicht richtig angekommen zu sein.“

In drei Bauabschnitten kaum einen Stein auf dem anderen gelassen

„Zum Glück war unsere Kirche bei meinem Dienstantritt 2003 gerade frisch renoviert“, erinnert sich die rührige Geistliche – zumindest eine Großbaustelle, die ihr erspart geblieben ist. Ansonsten blieb in ihrer Amtszeit auf dem Kirchengelände an der Ludwigstraße zumindest buchstäblich kaum ein Stein auf dem anderen.  Im Verlauf der Bauabschnitte auf dem Weg zum Steinheimer Familien- und Generationenzentrum zwischen 2009 und 2018 wurden die studierte Theologin und Diplompädagogin und ihre Mitstreiter auch zu Expert*innen in Bau-, Verwaltungs- und kirchlichen Finanzfragen.

„Und Mitstreiter passt in diesem Zusammenhang ganz gut“, schmunzelt die 65-Jährige. „Denn unsere Vision von einer Kirchengemeinde, die Netzwerke quer durch den Stadtteil bildet und moderne Räume bietet, in denen viele Initiativen anbieten, was Menschen von Geburt bis Lebensende wirklich brauchen“, habe nicht an allen Ecken und Enden in die kirchlichen Verwaltungsordnungen und Dienstvorschriften gepasst. So musste hin und wieder auch erkämpft und mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit erstritten werden, was in heutigen kirchlichen und kommunalen Veränderungsprozessen bundesweit als zukunftsweisendes Modell gelobt und ausgezeichnet wird.

Manches hat zu viel Kraft gekostet

Bei allem motivierenden Erfolg habe manches eine Menge, stellenweise auch zu viel Kraft gekostet, gibt die künftige Ruheständlerin zu: etwa die häufigen Vakanzen auf der zweiten, halben Pfarrstelle und die bis heute ungeklärte Frage, wie eine hauptberufliche Geschäftsführung und Koordinierung für das Zentrum entstehen kann. Und auch das Zurückkämpfen in den Alltag nach gleich zwei schweren Arbeitsunfällen in Folge hat an Energie und Nerven gezehrt.

Familien- und Generationenzentrum belebt alte und neue Angebote

Nichtsdestotrotz: „Man kann schon sagen, dass nicht mehr die Kirchengemeinde das Familien- und Generationenzentrum trägt, sondern umgekehrt“ das Zentrum Menschen erreicht, die sich von klassischen kirchlichen Angeboten nicht mehr hätten ansprechen lassen. Und so kommt es, dass heute der traditionelle Gemeindebasar mit Marmeladen- und Handarbeitsverkauf auch ein beliebter Termin für Eltern und Kinder ist, die den „DropIn“-Treff mittwochmorgens besuchen. „Und bei der ersten Familienkirche als Nachfolgerin des Kindergottesdienstes hatten wir mit einem Schlag 50 Leute da.“

Tragfähiges Stein-Auheimer Ökumene-Netz geknüpft

Nicht nur am Anfang hätten es ihr die katholischen Geschwister leichtgemacht, im Miteinander der Konfessionen voranzukommen: Zusammen mit dem damaligen katholischen Kollegen Thomas Catta, seinen Nachfolgern und anderen Interessierten sei es gelungen, mit gemeinsamen Gottesdiensten und Veranstaltungen ein ökumenisches Netz zu knüpfen, das heute noch trägt und inzwischen sogar bis nach Klein-Auheim reicht. „Stein-Auheim“ ist heute der feststehende Begriff für die doppelt grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Evangelischen und Katholischen im Hanauer Süden.

Ankerpunkte im Miteinander bieten

„Begegnung ist eben alles, und gerade, wenn alles im Fluss ist“, brauchen die Menschen Ankerpunkte im Miteinander, die die vielfältigen Angebote von Kirche und ihren Partnern im Zentrum bieten. „Jetzt geht es darum, das, was wir unter dem Motto ‚Steinheim für alle!‘ erreicht haben, zu stabilisieren - eine Aufgabe, der sich eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger annehmen wird.“

Wer das sein wird, ist noch offen. Die Steinheimer Pfarrstelle ist inzwischen bundesweit ausgeschrieben, und die engagierte Gemeinde hofft auf eine baldige Verstärkung für den Kirchenvorstand unter der Leitung von Anke Menzel und das Hauptamtlichen-Team aus Kita-Leiterin Esther Mertens und ihren Kolleginnen in der Einrichtung, Gemeindepädagoge Michael Kirchmann, Verwaltungsfachkraft Heike Gramann und Pfarrkollegin Daniela Wieners. 

„Starqualitäten“, weiß Heike Zick-Kuchinke, „braucht man hier als Pfarrerin oder Pfarrer nicht. Aber Talente sehen, Menschen motivieren und zusammenbringen, vernetzen und Denkanstöße geben“ – das habe ihr quer durch das Berufsleben geholfen, ihren Beitrag zum Ganzen zu leisten. „Und jetzt lege ich es vertrauensvoll in andere Hände.“

Zur Person: Heike Zick-Kuchinke

Geboren und aufgewachsen Ende der 50er-Jahre in Offenbach, studierte Heike Zick-Kuchinke in Frankfurt und Marburg Theologie und Pädagogik mit den Examensschwerpunkten Erwachsenen- und außerschulische Jugendbildung. Nach dem Vikariat in Frankfurt-Höchst 1985 und dem Spezialpraktikum in der Evangelischen Erwachsenenbildung Frankfurt am Main gab sie ab 1988 evangelischen Religionsunterricht an der dortigen Elly-Heuss-Knapp-Schule. 1990 erhielt die inzwischen ordinierte Pfarrerin einen weiteren Dienstauftrag in der Schulseelsorge und war dort eingebunden in das Team der Schulsozialarbeit, bot Einzelberatung ebenso an wie freizeitpädagogische und Bildungsangebote, entwickelte Konzepte, initiierte Patenschaften für Schüler*innen und Auszubildende. Im Jahr 1994 übernahm sie die Pfarrstelle „Theologische Bildungsreferentin/Landesschülerpfarrerin“ für die Arbeit mit Schüler*innen ab 14 Jahren vor allem aus Haupt-, Real- und berufsbildenden Schulen. 1998/99 entwickelte sie den wohl bundesweit ersten Weiterbildungskurs Schulseelsorge als interdisziplinäres Projekt verschiedener kirchlicher Arbeitsbereiche mit ihrem damaligen Kollegen, Pfarrer Harmjan Dam. Seit 2003 ist sie Gemeindepfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Steinheim/M. und hat dort das inzwischen vielfach ausgezeichnete Steinheimer Familien- und Generationenzentrum von Beginn an begleitet, konzipiert und mitgestaltet.  


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