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"Eine Unruhestifterin für den Frieden"

Kirche und Kooperationspartner verabschieden Dagmar Gendera

Abschied im Haus der Kirche: Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Religionen sagten zusammen mit dem Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau der Koordinatorin des Dekanatsprojekts „Glaube. Gemeinsam. Gestalten.“, Dagmar Gendera (8.v.l.), „Adieu“.

Sie hat Brücken gebaut, Netzwerke geflochten und den interreligiösen Dialog in der Region mit Leidenschaft und Fachkompetenz vorangetrieben: „Glaube. Gemeinsam. Gestalten“-Projektkoordinatorin Dagmar Gendera wurde nun im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau feierlich verabschiedet.

Vier Jahre lang koordinierte sie das Projekt, das noch bis Ende Juni aus Mitteln des hessischen Landesprogramms "Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus" gefördert wird. In dieser Zeit hat sie nicht nur Begegnungen geschaffen, sondern Menschen unterschiedlichster Hintergründe miteinander ins Gespräch gebracht und zum Nachdenken angeregt.

Zu ihrer Verabschiedung am vergangenen Mittwoch im Dietzenbacher Haus der evangelischen Kirche waren Gäste aus Politik, Gesellschaft und verschiedenen Religionsgemeinschaften gekommen, um ihr für ihr unermüdliches Engagement zu danken. Der Dekan des Evangelischen Dekanats Dreieich-Rodgau, Steffen Held, betonte: "Uns wäre es am liebsten, wir müssten heute keinen Abschied feiern. Wir werden dein unermüdliches Engagement und deine hohe Fachkompetenz sehr vermissen." 

Frieden stiften – auch als Unruhestifterin

Die Pfarrerin für Gesellschaftliche Verantwortung und Ökumene, Sandra Scholz, verknüpfte ihre Würdigung mit den Worten Jesu aus der Bergpredigt: "Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen." Dagmar Gendera habe sich mit ganzer Kraft für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt – und sei dabei gelegentlich auch eine "Unruhestifterin für den Frieden Gottes" gewesen.

Besonders würdigte auch Imam Wajahat Ahmad von der Ahmadiyya-Gemeinde Rodgau Genderas Talent, Menschen miteinander zu vernetzen: "Sie hat mir bei meinem Dienstbeginn viele Kontakte vermittelt und Türen geöffnet. Sie ist ein großer Segen für das interreligiöse Zusammenleben."

Pfarrer Dr. Andreas Götze, Referent für interreligiösen Dialog im Zentrum Ökumene der evangelischen Kirche, überbrachte den Gruß der Landeskirche und würdigte Genderas Arbeit: "Haltung entwickeln passiert nicht einfach so, sondern in 'Zwischenräumen'. Dieses Dazwischen zu kreieren, Räume zu eröffnen und dort frischen Wind zuzulassen – dafür steht Dagmar Gendera." Er betonte, dass Menschen nicht mit Vorurteilen geboren werden. „Das sind Muster, die man wieder aufbrechen kann – wie Dagmar Gendera es getan hat", so Götze.

Mahmood Haji vom Verein "Wir sind angekommen" e. V. Rodgau hob hervor, wie die Projektkoordinatorin es verstand, Menschen zusammenzubringen: "Sie hat gezeigt, wie wichtig Respekt und echtes Interesse für ein gutes Zusammenleben sind."

Renate Bottmann, Vertreterin der Bahai-Gemeinde Dietzenbach, zitierte aus den Lehrschriften ihrer Religion und unterstrich auch damit die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, den Gendera stets gefördert hat.

Brücken zwischen Religionen und Generationen gebaut

Das interreligiöse Begegnungsprojekt "Glaube. Gemeinsam. Gestalten." hat zwei wesentliche Schwerpunkte: Zum einen ging es darum, junge Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen in den Austausch zu bringen. In Workshops, Exkursionen und interaktiven Veranstaltungen konnten sie gemeinsam über ihre Glaubensüberzeugungen reflektieren, Gemeinsamkeiten entdecken und Vorurteile abbauen. 

Der zweite Schwerpunkt lag auf der Förderung von interreligiöser Kompetenz im Bereich frühkindlicher Bildung. Gendera organisierte Fachtage und Kongresse für Kita-Mitarbeitende, um ihnen praxisnahe Methoden für die interreligiöse Arbeit an die Hand zu geben. Das Projekt setzte hierbei auf praktische Materialien wie einen „Koffer der Religionen“ für Kindertagesstätten und zuletzt die Broschüre „Gemeinsam Vielfalt leben“, um Wissen über Glauben, Demokratie und Dialog von klein auf alltagsnah zu vermitteln.

Das Projekt "Glaube. Gemeinsam. Gestalten." war unter Genderas Leitung geprägt von innovativen Formaten: interreligiöse Kochbücher, Jahreskalender, eine Exkursion ins Konzentrationslager Buchenwald oder ein Fachtag zur interreligiösen Arbeit in Kitas. Dabei ging es ihr stets darum, den interreligiösen Dialog nicht nur in der Theorie, sondern ganz konkret im Miteinander erlebbar zu machen. Bis zum Projektende Ende Juni wird Rabia Salim die laufenden Projekte im Umfang einer viertel Stelle weiterführen.

Vom interreligiösen Dekanatsprojekt zum bundesweiten Dialog

Dagmar Genderas Biografie zeugt von einem tiefen Engagement für soziale Gerechtigkeit und interreligiösen Austausch. Aufgewachsen als Tochter einer Küsterin, prägte sie die kirchliche Jugendarbeit. Nach ihrem Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik war sie unter anderem als Lateinamerikareferentin bei EIRENE e. V. tätig, engagierte sich in Guatemala und begleitete dort Basisgemeinden und Frauenkooperativen. "Die Theologie der Befreiung hat mich nachhaltig geprägt und mein Verständnis von Gerechtigkeit und Frieden geformt", erzählt sie.

Nun setzt sie ihre Arbeit in einem neuen Kontext fort: Als Koordinatorin des deutschlandweiten Projekts "Weißt du, wer ich bin?" wird sie sich in der Rhein-Main-Region für den interreligiösen Austausch einsetzen. In Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden, dem Koordinationsrat der Muslime und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland fördert das Projekt Begegnungen zwischen den drei großen monotheistischen Religionen.

"Bei allem, was die Kirche in diesen Zeiten beschäftigt, dürfen wir unsere interreligiösen Nachbarschaften nicht vergessen", sagte sie zum Abschied – ein Auftrag, den sie mit in ihre neue Aufgabe nimmt.


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